Titelbild: Die Entdeckung der Pfahlbauten

Lebensbild vom Schlachten zu Beginn des Winters im Pfahlbaudorf.

Illustration: bunterhund.ch.



Eine Geschichte vor unserer Zeit
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Das Schwein zuckt noch einmal. Etwas vom Blut, das aus dem Hals tritt und in einem Topf aufgefangen wird, tropft in den Schnee und färbt ihn rot. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, als ich den Erwachsenen zuschaue, wie sie die verschiedenen Innereien in Schalen und Schüsseln aufteilen. Heute Abend wird es Getreidebrei mit Fleisch geben. Das ist eher selten, die Tiere werden nämlich nur wenn nötig geschlachtet. Zu Beginn des Winters ist es jeweils so weit. Denn über den Winter werden nur die Tiere durchgefüttert, die das Dorf wirklich braucht. Ich höre, wie der Vater aus dem Haus ruft. Ich darf heute beim Herstellen eines Fischernetzes mithelfen. Schnell renne ich ins Haus zurück. Hier ist es etwas wärmer. Doch wir können nicht zu nahe beim Feuer am Netz arbeiten. Ich setze mich in meiner Fellkleidung zu den anderen auf die Felle am Boden. Die Erwachsenen zeigen mir und den Nachbarsjungen, wie wir mit der Netznadel die Leinenfäden um das Abstandsholz knüpfen. Wir arbeiten an den verschiedenen Seiten des Netzes. Ich muss gut aufpassen und darf keinesfalls zu fest ziehen, denn die feinen Fäden können reissen. Ich bin stolz, dass mir das noch nie passiert ist. Dem kleineren der Nachbarsjungen ist nun schon zum zweiten Mal der Faden gerissen. Er darf nicht mehr mitknüpfen und muss beim Lochen der Netzschwimmer helfen. Oben am Netz werden gelochte Plättchen aus Pappelholz befestigt. So schwimmt das eine Netzende auf dem Wasser, das andere Ende wird mit Steinplättchen nach unten gezogen. Die Netze werden dann im Sommer an fischreichen Stellen nahe am Ufer ins Wasser gehängt. Die Dorfbewohner treiben die Fische auf die Netze zu, indem sie auf das Wasser klatschen. Im Winter fahren die Erwachsenen mit dem Einbaum auf den See, um die Netze zu stellen. Mit dem Einbaum dürfen nur die Erwachsenen hinausfahren, denn das Einnehmen der Netze und Herausziehen der Fische ist schwere Arbeit. Zudem ist der Einbaum wackelig und kentert schnell.

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Die Entdeckung der Pfahlbauten

Pfahlbaufieber in der Schweiz



Am Pfäffikersee sind sieben Pfahlbaufundstellen bekannt. Das Sensationelle an diesen Fundstellen ist, dass im feuchten Boden nicht nur Funde aus Stein und Keramik, sondern auch solche aus Holz und Knochen, ja sogar Nahrungsreste und Textilien die Jahrtausende überdauert haben. Die Fundstelle Wetzikon-Robenhausen, die eng mit den Anfängen der schweizerischen Pfahlbauforschung verbunden ist, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen». 

 

Die Erforschung der Pfahlbauten bekam einen mächtigen Schub, als Ferdinand Keller im Jahr 1854 anhand der Fundstelle Obermeilen-Rorenhaab die Idee von Dörfern auf Plattformen im See entwarf. Der moderne Bundesstaat war kurz zuvor gegründet worden. Pfahlbauten fanden sich in allen Landesteilen und erlaubten es, eine gemeinsame Vergangenheit zu konstruieren. In diesem Sinne wurde die Theorie von Keller begeistert aufgenommen.

 

Das romantische Bild der Pfahlbauer hatte identitätsstiftenden Charakter für die noch junge Schweiz. Es brach ein regelrechtes «Pfahlbaufieber» aus. An der Pariser Weltausstellung von 1867 liess sich die Schweiz sogar mit einem Pfahlbaupavillon vertreten. Eine legendäre Figur der frühen Pfahlbauforschung ist der Landwirt Jakob Messikommer (1828–1917) aus Wetzikon. Er war ein Pionier der Pfahlbauarchäologie.

 

Bild: Jakob Messikommer beim Sortieren von botanischen Proben. Es wird berichtet, dass er dies gerne am Abend nach der Tätigkeit als Landwirt selbst besorgte.  Foto: Museum Wetzikon.

Robenhausen – das Mekka der Pfahlbauforscher im 19. Jahrhundert



Eine zentrale Rolle in der Pfahlbauforschung nahm Robenhausen ein. Der Fund von Pfählen während Bauarbeiten im Aabach 1858 erfüllte den sehnlichsten Wunsch des jungen Landwirts Jakob Messikommer, selbst eine der seit wenigen Jahren bekannten Pfahlbauten zu entdecken. Es folgte eine Periode emsiger wissenschaftlicher Tätigkeit. Messikommer stand im Kontakt mit anderen Schweizer Pfahlbauforschern. Messikommer widmete sich während rund 60 Jahren der Erforschung der Pfahlbaufundstelle Robenhausen. Leider hat er, wie damals üblich, wenig gezeichnet. Die Lage der Schichten und die Reste der Häuser, in der Fachsprache «Befunde» genannt, sind heute grösstenteils unbekannt. Auch viele Funde sind nach der Bergung zerfallen, weil damals noch kaum Konservierungstechniken bekannt waren. 



Messikommer war als Landwirt prädestiniert, die gut erhaltenen Pflanzenreste wie Linsen, Mohn- und Himbeersamen sowie Leinstengel zu erkennen. Vor allem der Beweis, dass die «Primitiven Vorfahren, welche nicht mal Eisen kannten» schon Stoffe auf Webstühlen webten, war eine Sensation. Messikommer finanzierte seine Ausgrabungen damit, dass er Pfahlbaufunde in die ganze Welt verkaufte. So kommt es, dass heute in Museen und Privatsammlungen auf der ganzen Welt kleine Röhrchen mit Pflanzensamen, zwischen Glas aufbewahrte Textilien und andere Funde von Robenhausen zu finden sind. 

 

Bild: Die Pfahlbaufundstelle Robenhausen war in der damaligen Fachwelt berühmt, denn Jakob Messikommer sei ein guter Erzähler gewesen und habe seine Führungen mit Anekdoten und Witzen bereichert. Für Messikommer waren die Anlässe auch deshalb wichtig, weil sich dabei neue Käuferschaft aus dem In- und Ausland für seine Pfahlbau-Souvenirs fand. Foto: Museum Wetzikon.


Illustration aus dem ersten Pfahlbaubericht Ferdinand Kellers 1854, der mit diversen Forschern in Kontakt war und deren Beobachtungen zusammenfasste. Inspiriert von einem Gemälde mit Pfahlbauten in Papua-Neuguinea, schuf er die erste Rekonstruktion eines Pfahlbaudorfs.

Illustration: F. Keller 1854, 1. Pfahlbaubericht.

Abtransport eines 1911 bei der Messikommereiche in Seegräben gefundenen Einbaums.

Foto: Museum Wetzikon.

Zur Finanzierung seiner Ausgrabungen baute Jakob Messikommer auch Pfahlbauhaus-Modelle und verkaufte sie. Getreu der Pfahlbautheorie stellte er sie auf Plattformen. Heute sind nur noch wenige dieser Modelle erhalten.

Foto: Museum Wetzikon.

Die von Jakob Messikommer sorgfältig beschrifteten Röhrchen enthalten Samen von diversen Pflanzen, Ziegenkot, verbrannte Getreidekörner und verkohlte Textilreste. Um seine Ausgrabungen zu finanzieren, verkaufte Messikommer solche Pfahlbaufunde. Dafür schaltete er sogar Annoncen in diversen Zeitungen. Von Messikommer beschriftete Funde finden sich in vielen Museen Europas und in den USA.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Oswald Heer und Ludwig Rütimeyer studierten in den 1880er-Jahren botanische Proben und Tierknochen aus den Pfahlbauten und veröffentlichten Bücher über die Pflanzen- und Tierwelt der Pfahlbauzeit.

Illustration: Oswald Heer 1865.

Die Pfahlbaubegeisterung erfasste eine breite Bevölkerung. An Umzügen und Festen kostümierte man sich gerne nach der Vorstellung der vermeintlichen Vorfahren. Hier ein Pfahlbauer mit seinen Kindern aus dem zürcherischen Gossau.

Foto: Anno dazumal im Zürcher Oberland 1977.

Beim Sechseläuten-Umzug im Jahr 1902 ist die Zunft Wollishofen als Pfahlbauer*innen dabei.

Foto: wollipedia.ch, Sammlung M. Zimmermann.

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