Titelbild: Das Haus

Innenraum eines Pfahlbauhauses der Bronzezeit mit einer Kochstelle und einem Platz für die Holzbearbeitung dahinter. Illustration: Oliver Good.



Eine Geschichte vor unserer Zeit
0:00
/
Geschichte lesen

Hastig ziehe ich den Ledervorhang vor die Türe. Die frostige Morgenkälte soll draussen bleiben. Das Bauchweh hat mich so früh aus dem Laub und den Fellen in die Büsche getrieben. Der Schmerz lässt nach dem Toilettengang meistens etwas nach, auch Kohle hilft manchmal. Die meisten Dorfbewohner werden von Verdauungsproblemen geplagt und gerade die Kinder weinen oft wegen der Krämpfe. Nur die Tiere scheinen keine Probleme zu haben. Ich bahne mir den Weg durch die Ziegen und Schafe, die im vorderen Teil der Hütte liegen. Ich fache ein Feuer an und bereite das Frühstück aus Getreidebrei mit getrockneten Fischstückchen und Haselnüssen in einem Topf. Zur Würze koche ich ein paar Wacholderbeeren mit. Welche der vielen Kräuter wohl gegen die Bauchkrämpfe helfen? Ich entscheide mich für Fenchelsamen, zur Beruhigung der Mägen. Mit der Anweisung, immer weiter im Topf zu rühren, übergebe ich den Rührstab einem der kleineren Kinder, die durch die Geräusche und den Rauch des Feuers erwacht sind und langsam vom Zwischenboden unter dem Dach herunterkommen. Ich erhebe mich und hole drei Handvoll Fenchelsamen und gebe sie in den dampfenden Getreidebrei. Es ist Zeit, auch die Langschläferinnen und Langschläfer aus den Fellen zu klopfen. Widerwillig rollen sie ihre Felle zusammen, kommen über den Steigbaum nach unten und versammeln sich ums Feuer. Die Kranke bleibt liegen, denn ihr Husten hat sich über Nacht noch verschlimmert. Sie kann weder essen noch aufstehen; die Hausgemeinschaft wird nochmals die Heilerin rufen. Aber es ist gut möglich, dass die Arme den Winter nicht mehr erlebt. Nach dem Frühstück können wir satt und gestärkt ans Tageswerk gehen. Die kleineren Kinder werden in den Wald geschickt, um Nüsse, Hagebutten und Brennholz zu sammeln. Die Erwachsenen und die grossen Kinder werden die letzten Felder vorbereiten und die Wintersaat ausbringen, die in der Kälte ruhen muss. Dann muss noch die Getreideernte gedroschen und gereinigt werden.

Station 7


Quiz Pfahlbauweg
1
2
3
4
5
10
9
8
7
6

Pfahlbau Quiz: Löse alle 10 Aufgaben und hol dir deine Belohnung.


zum Quiz


Station 7

Das Haus

Wind, Rauch und Kälte



Die Häuser der Pfahlbauer*innen zu rekonstruieren, ist keine leichte Aufgabe, da fast nur die in den Boden versenkten Pfähle erhalten geblieben sind.  Einiges wissen wir dank der sorgfältigen Untersuchung von Pfahlbaufundstellen dennoch: Der Boden der Häuser war abgehoben oder ebenerdig mit Rundhölzern bedeckt. Zwei oder mehr Stämme mit Gabelungen dienten als Firstpfosten. Die Wand zwischen den Pfählen bestand aus Rutengeflechten mit Lehmverputz. Die Dächer waren mit Holzschindeln oder vielleicht auch Schilfbündeln gedeckt.

 

Die einzige Licht- und Heizquelle war ein offenes Feuer. Die Wände waren nicht isoliert, also war es im Winter am Feuer warm, doch schon der Rücken blieb kalt. Der Wind zog durch Spalten und Ritzen. Rauchabzug und Schornstein wurden erst viel später erfunden, der Rauch sammelte sich im Haus. Er vertrieb die Insekten, brachte aber die Menschen zum Husten. Gefeuert wurde auf einer Lehmplatte. Sie schützte das hölzerne Haus oft nur unzureichend vor den Flammen. Brände zerstörten einzelne Häuser und ganze Dörfer. In solchen Tragödien verloren die Menschen ihr Hab und Gut. Was nicht vollständig verbrannte, ist 5000 Jahre später eine wichtige Quelle des archäologischen Wissens.



Dieses bronzezeitliche Hausinnere rekonstruierten Studierende des Studiengangs Scientific Visualisation an der Zürcher Hochschule der Künste in Zusammenarbeit mit der Kantonsarchäologie Zürich. In der Abbildung platzierten sie in archäologischen Ausgrabungen nachgewiesene Objekte. Die vielen Wissenslücken wurden mit historischem Wissen, ethnologischen Analogien und einer Portion Fantasie geschlossen.

Illustration: Helena Klein, Sofia Poku und Oliver Good.

Pfahlschuh mit vorstehendem Rest des eingesetzten Pfahls aus der Grabung Zürich Versicherung. Für die Bergung wurde der etwa 3000-jährige Pfahl unterhalb des Pfahlschuhs abgeschnitten. Pfahlschuhe verhindern, dass die mit Dächern und Wänden belasteten Pfähle im weichen Baugrund einsinken.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Der Profilschnitt macht die Funktion des unter Wasser erhaltenen Pfahlschuhs anschaulich. Die nach unten gedrückten Schichten zeigen: Der Pfahl trug eine grosse Last, nämlich einen Teil des Hauses.

Foto: Amt für Städtebau Zürich, Unterwasserarchäologie und Labor für Dendroarchäologie.

Vor Ort erhaltene Ecke einer spätbronzezeitlichen, etwa 3000-jährigen Blockbaukonstruktion in Greifensee-Böschen. Sie gibt interessante Einblicke in die Holzbautechnik der Pfahlbauer*innen. Solche Befunde sind selten, denn nach dem Zerfall der Häuser zersetzten sich die Hölzer zumeist oder wurden vom Wellenschlag im See verteilt.

Foto: Amt für Städtebau Zürich, Unterwasserarchäologie und Labor für Dendroarchäologie.

Die zweitälteste bekannte Tür der Welt ist 5170-jährig und stammt aus der Grabung Zürich-Parkhaus Opéra. Sie besteht aus drei Brettern, die mit zwei eingeschobenen Leisten verbunden sind. Übrigens: Die älteste bekannte Tür ist ein Fund aus Wetzikon-Robenhausen.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Webgewichte aus der Pfahlbaufundstelle Zürich-Parkhaus Opéra. Konzentrationen solcher Gewichte zeigen auf einer Grabung, wo vor über 5100 Jahren gewoben wurde. Webgewichte waren oft aus ungebranntem Ton und erhielten sich nur nach einem Hausbrand oder unter optimalen Bedingungen.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Das Leben im Haus



Zu einer traditionellen Hausgemeinschaft gehören in Europa heute Eltern, Kinder und vielleicht noch Grosseltern. Doch bis ins 19. Jahrhundert war das anders: Es war üblich, dass im Haushalt neben der erweiterten Familie mit Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen auch Knechte und Mägde lebten. In anderen Kulturen wohnen mehrere Frauen mit einem Ehemann, mehrere Männer mit einer Ehefrau, lose wechselnde Beziehungen in Gruppen oder mehrere Familien zusammen unter einem Dach. In der Horgener Zeit, um 3000 v. Chr., fasste ein Kochtopf bis zu 15 Liter – das reichte für deutlich mehr als vier Personen. Ein Hinweis darauf, dass die bürgerliche Vorstellung einer Hausgemeinschaft nicht auf die Jungsteinzeit übertragen werden kann.

 

Die sesshafte Lebensweise hatte auch ihre Schattenseiten. Die Menschen wurden abhängig von einer guten Ernte. Sie lebten mit ihren Haustieren im Haus oder in enger Nachbarschaft. Tiere und Menschen verrichteten ihr Geschäft im Dorf. Schädlinge, Bakterien und Viren fanden perfekte Bedingungen, um sich zu vermehren. In Pfahlbaudörfern wurden Eier von Band-, Haken-, Peitschenwürmern und anderen Parasiten nachgewiesen. Mit der getreidereichen Nahrung stieg auch der Kariesbefall. Zahnschmerzen, Magenbeschwerden und Durchfall gehörten zum Alltag.


Das Ei eines Peitschenwurms aus der Grabung Zürich-Parkhaus Opéra. In den Schichtproben aus Pfahlbausiedlungen sind verschiedene Parasiten nachgewiesen. Die Eier von Band-, Haken- und Peitschenwürmern sprechen Bände über Krankheiten von Mensch und Tier.

Foto: Harb und Bleicher, Zürich-Parkhaus Opéra Bd. 3, 2007, S. 172.

Nach der Seespiegelabsenkung bei der Juragewässerkorrektion ragten viele Pfahlfundstellen aus dem Wasser und wurden dadurch zerstört. Sichtbar sind die Reste von Hauspfosten und Zäunen.

Foto: Bernisches Historisches Museum, Bern.

Während der Ausstellung «Pfahlbauland» standen auf der Saffainsel in Zürich 1990 drei nachgebaute Pfahlbauhäuser. Während mehrerer Monate wurde darin gelebt und gearbeitet wie zur Pfahlbauzeit. Das Publikum konnte an Führungen und Kursen Techniken aus dieser Zeit erleben.

Foto: Amt für Städtebau Zürich, Unterwasserarchäologie und Labor für Dendroarchäologie.

Station 7


Quiz Pfahlbauweg
1
2
3
4
5
10
9
8
7
6


Gratulation, du hast alle Aufgaben richtig gelöst

Trage deinen Namen und deine E-Mail-Adresse ein. Du wirst per Mail einen Code erhalten, mit dem du deine Überraschung im Museum Wetzikon abholen kannst.

 

Pfahlbauweg