Titelbild: Pfahlbau-Mode

Das Lebensbild zeigt den Innenraum eines Pfahlbauhauses der Bronzezeit mit Lein in unterschiedlichen Verarbeitungsstadien sowie Spindeln und einen Webstuhl.

Illustration: Sofia Poku.



Eine Geschichte vor unserer Zeit
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Der Herbst ist ungewöhnlich nass und kalt. Seit Tagen verkriechen sich die Menschen in ihren Hütten. Die meisten haben bereits ihre lederne Winterbekleidung übergezogen. Die Flachsernte ist schon lange vorbei, die Pflanzen sind geröstet, gebrochen und gekämmt. Nun müssen die Fasern gesponnen werden. In Bündeln hängen sie neben getrockneten Pflanzen von der Decke. Beissender Rauch steigt aus dem offenen Feuer und zwingt mich zum Husten. Ich fröstle und wickle mich etwas enger in die Kleidung. Schon wieder ist der Faden gerissen. Ich fluche! Aber ich werde immer geschickter, so gut wie Mutter bin ich aber noch lange nicht. Ihr wäre das nie passiert, feinste und gleichmässige Fäden hat sie scheinbar mühelos gesponnen. Die kleineren Kinder lärmen und balgen herum, es ist so schwer, ihnen das Spinnen beizubringen. Mutter fehlt! Sie hätte ihnen geduldig gezeigt, wie die Spindel zu drehen ist. Sie hätte beruhigend gesungen, alle mit Witzen zum Lachen gebracht und mich bestärkt. Eine Träne kullert mir übers Gesicht. Mutter ist tot! Letztes Jahr ist sie mit dem ungeborenen Geschwister im Bauch gestorben. Immer wieder sterben Nachbarn oder Freunde, aber so traurig war ich noch nie. Es rollt mir noch eine Träne über die Wange, als ich mich auf die Spindel konzentriere. Ich muss sie in der richtigen Geschwindigkeit drehen und genau die richtige Menge Flachs dazugeben. Nur wenn der Faden gleichmässig und fein wird, lassen sich am Webstuhl schöne luftige Stoffe für die Sommerkleider weben. In Gedanken versunken habe ich ganz vergessen, was um mich herum geschieht. Ich prüfe mit einem Seitenblick, ob die kleineren Kinder Hilfe brauchen und weshalb sie streiten. Dann sehe ich nach der Ziege, die sich neben dem Webstuhl hingelegt hat. Zum Glück sind die getrockneten Pflanzen, die an der Decke hängen, vor ihr sicher.

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Pfahlbau-Mode

Schick in Bast, Fell und Leder



Wie waren die Pfahlbauer*innen gekleidet? Textilreste geben Einblicke in die Kleidung der Stein- und Bronzezeit. Sie stammen zum Beispiel aus Särgen in Dänemark oder von Gletscherfunden wie der Eismumie «Ötzi». Auch in den feuchten Schichten der Pfahlbausiedlungen können sich Kleidungsreste erhalten. Die Vielfalt der textilen Funde ist erstaunlich. Ganze Hüte, Umhänge, Fischernetze, Siebe, Körbe, Schuhe und Taschen wurden gefunden, allerdings nur solche aus Pflanzenfasern. Fell und Leder bleiben in den Feuchtböden nicht erhalten.

 

Typische Funde sind Seile, Gewebe und Geflechte aus Bast oder feinem Leinen. Bast ist der faserige innere Teil der Baumrinde. In der Pfahlbauzeit wurde der Bast von Linden, Eichen und selten auch Weiden verwendet. Handwerkstechniken wie Knüpfen und Flechten waren schon vor der Pfahlbauzeit bekannt. Die Erfindung der Spindel und des Webstuhls ermöglichten die Herstellung von gewobenen Stoffen aus Leinen. Die langen Fasern in den Stängeln des Leins, auch Flachs genannt, eignen sich besonders zur Herstellung von Geweben.


Dieser 5100-jährige Kinderhut aus Lindenbast wurde bei der Ausgrabung für das Parkhaus Opéra in Zürich gefunden. Hüte und Umhänge aus Bast schützten vor Sonne und Regen, es handelt sich somit um die Funktionskleidung der Jungsteinzeit.

Foto Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Die zwei Stücke eines Umhangs aus Lindenbast mit eingeflochtenem Dekor sind 4700 Jahre alt. Eine Unterwasserausgrabung bei der Schifflände in Maur brachte sie ans Tageslicht. Das Muster entstand durch die Verwendung unterschiedlicher Lindenbastqualitäten.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Kostüm einer reichen Frau aus der Bronzezeit. Die Tracht- und Schmuckelemente aus Bronze sind nach einem Grabfund aus Winklarn in Österreich rekonstruiert. Das Muster eines Textils von Pfäffikon-Irgenhausen ziert den Saum.

Foto: Naturhistorisches Museum Wien.

Frauen in bronzezeitlicher (links) und steinzeitlicher Kleidung (rechts). Das Gewand der Steinzeit lehnt sich an Funde aus Pfahlbausiedlungen sowie von Gletschern an. Es besteht aus Leder, Leinen und Lindenbast. Die bronzezeitliche Kleidung aus Wolle ist 3400-jährigen Funden aus einem Baumsarg in Borum Eshøj (DK) nachempfunden.

Foto: Naturstation Silberweide.

Steinzeitliche Kleidung nach Funden aus Pfahlbausiedlungen und von Gletschern, hergestellt von der Archäologin Maren Petersen aus Erftstadt (DE). Der Schnitt des Hemds ist frei erfunden. Belegt sind hingegen viele kleine Leinenfragmente mit kunstvollen Abschlüssen und Schmuck aus gelochten Schlehenkernen und Muscheln sowie Schuhe und Hüte aus Lindenbast.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Frauenkleidung aus der Bronzezeit, hergestellt von Maren Petersen. Die meisten Textilien sind nach dem Baumsargfund Borum Eshøj (DK) rekonstruiert. Die 3400-jährigen Grabfunde aus Dänemark boten sich aufgrund ihrer guten Erhaltung als Vorbilder an.

Foto: M. Petersen und Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Steinzeitliche Kleidung nach Funden aus Pfahlbausiedlungen und von Gletschern, hergestellt von Maren Petersen. Der Schnitt des Hemds ist frei erfunden. Belegt sind hingegen viele kleine Leinenfragmente mit kunstvollen Abschlüssen. Ob die Kleidung farbig war, ist fraglich, denn Nachweise fehlen und das Färben von Leinfasern ist schwierig.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Jungenkleidung aus der Bronzezeit vor 3360 Jahren, von Maren Petersen grösstenteils nach einem Baumsargfund in Muldbjerg (DK) rekonstruiert. Die Erhaltungsbedingungen für Wolle sind in den Pfahlbausiedlungen sehr schlecht, weshalb die Rekonstruktion auf dänische Funde zurückgreift. Es ist gut möglich, dass sich die Kleidung der Pfahlbauer*innen stark von der dänischen Mode unterschied.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Sommer- und Wintergarderobe



Bast und Leinen spendeten kaum Wärme. Im Sommer ist dies angenehm – aber im Winter? Die seltenen Gletscherfunde im Gebirge zeigen, dass die Menschen bei kalter Witterung Hemden aus Fell, eine Art Leggings und Schuhe aus Leder anzogen.

 

Sie trugen auch geflochtene Schuhe, wie der Fund von über 40 Fragmenten von Flechtschuhen aus Lindenbast in Maur bei der Schifflände zeigt. Solche Schuhe sind nicht wirklich stabil und halten auch nicht lange. Aber arme Leute in Skandinavien trugen bis ins 19. Jahrhundert ganz ähnliche Modelle.


Die Lederleggins vom Schnidejoch im Berner Oberland sind Beinlinge, die mit Bändern und einem Gürtel befestigt wurden. Da es auf dem Schnidejoch kalt ist, wird diese Hose oft in Kombination mit einem Lendenschurz rekonstruiert, der den nackten Hintern schützt.
Foto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, B. Redha; Illustration: Gentle Craft, M. und S. Volken.

Die Knochen aus der Grabung Zürich-Mozartstasse stammen von einem vor 5000 Jahren erlegten Eichhörnchen. In Pfahlbaufundstellen findet man viele Knochen kleiner Säugetiere, die kaum Fleisch liefern, etwa Wildkatze, Fuchs, Marder, Biber oder eben Eichhörnchen. Es ist davon auszugehen, dass sie wegen ihres Pelzes gejagt wurden.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Das 6300-jährige Fadenknäuel, gefunden beim Kleinen Hafner im Zürichsee, ist eine Seltenheit. Beim Spinnen wurde das Garn um die hölzerne Spindel gewickelt, wodurch diese spezifische Form entstand.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

In Maur-Schifflände wurden 2017 bei Tauchgrabungen 40 Fragmente von jungsteinzeitlichen Bastschuhen entdeckt. Die Textilspezialistinnen Dorothee Olthof und Eva Jisfeld rekonstruierten die Schuhe in Zusammenarbeit mit der Kantonsarchäologie Zürich.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.




Ein Textil geht um die Welt



Im Jahr 1865 senkte sich der Seespiegel des Pfäffikersees um 180 cm, vermutlich wegen Seespiegelregulierungen für die Textilindustrie und die Landwirtschaft. In der Folge rutschten grosse Uferpartien in den See. Das Ereignis verwüstete einerseits die Pfäffiker Uferpromenade, andererseits führte es zur Entdeckung von Pfahlbauresten im Bereich der heutigen Badi. Pfahlbauforscher Jakob Messikommer aus Wetzikon untersuchte die Fundstelle Irgenhausen in den folgenden Jahren.

 

Er fand unter anderem sechs Fragmente eines kunstvoll verzierten Stoffes aus der Bronzezeit. Fragmente des berühmten Textils wurden im 19. Jahrhundert an verschiedene Sammlungen verkauft und befinden sich heute in Museen in Zürich, Basel, Bern, Biel, Mannheim, Paris und London. Wiederholten Untersuchungen zum Trotz sind sich die Expert*innen bis heute nicht einig, ob das Muster auf dem Stoff gestickt oder gewoben (broschiert) wurde.


Die Fotografie zeigt drei der sechs Fragmente des Gewebes aus Irgenhausen. 

Foto: Emil Vogt, 1937

Die Rekonstruktion des Gewebes von Irgenhausen wurde von J. Banck-Burgess und H. Igel angefertigt. Da keine Farbnachweise vorliegen, wurden die Farben frei gewählt. 

Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Y. Mühleis.

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Schaue dir die Bilder an. Woraus sind die Pfahlbaukleider der Bronzezeit und Steinzeit gemacht? Ordne die Bilder der Kleidung dem jeweiligen Rohmaterial zu. Die Pflanze heisst Lein und beim strohigen Objekt handelt es sich um Lindenbast.

 



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