Titelbild: Kontaktnetze der Pfahlbauer*innen

Ein Blick in die Pfahlbausiedlung auf dem Sechseläutenplatz in Zürich vor über 5000 Jahren.

Illustration: Marco Bernasconi, archaeolab.ch. 



Eine Geschichte vor unserer Zeit
0:00
/
Geschichte lesen

Ich streite mit meinem kleinen Bruder um die letzten Schlehensteine. Wir wollen sie rundschleifen und lochen, damit sie als Schmuck auf die Kleider genäht werden können. Diese kleine Nervensäge hatte schon die meisten Früchte essen dürfen, auch jetzt will er wieder meine Steine haben. Aber nicht mit mir! Oh nein! Jetzt ist das Körbchen umgekippt und die Steine liegen auf dem Holzboden verstreut. Der grosse Bruder schimpft, dass sie nun beide nichts mehr von den Kernen hätten. Ich stochere mit einem Ästchen in den Ritzen zwischen den Holzbrettern, um wenigstens ein paar Steine zu retten. Der kleine Stinker heult natürlich wieder nur herum. Die Vögel draussen auf dem Dach schreien noch lauter. Alle anderen Kinder laufen zusammen. Ob ich den Feuersteindolch benutzen darf, den wir seit kurzem im Haus haben? Heimlich habe ich ihn vorgestern hervorgeholt. Er glänzt honigfarben und scheint im Sonnenlicht so schön! Und lang ist er! Damit könnte ich die Kerne leicht aus den Spalten hervorholen. Mit dem barschen Nein hätte ich rechnen können, denn nur die Erwachsenen dürfen den Dolch benützen. Wenn er runterfällt oder falsch gebraucht wird, bricht er. Das Prachtstück ist lange und weit gereist, bevor es zu uns kam. Ich habe gehört, dass der besondere Feuerstein aus einem fernen Land stammt, dort wo die Sonne untergeht, noch viel weiter als der Feuersteinberg. Zum Feuersteinberg ziehen manchmal einige vom Dorf, um frischen Feuerstein zu holen. Denn wir brauchen die Steine, die zu scharfen Kanten geschlagen werden und mit denen Feuer gemacht wird. Mit den Steinen werden die Werkzeuge hergestellt, zum Fleisch schneiden, Äste entrinden und Tiere jagen. Mit Hilfe der anderen Kinder sind endlich wieder einige Kerne beisammen. Ich habe genug und überlasse ihnen die Kerne und gehe raus, ich brauche etwas frische Luft. Ich schaue den Nachbarn zu. Zwei diskutieren über das Wetter, der alte Mann von nebenan hat trotz dem warmen Tag noch immer den Fellmantel an. Ich gehe zur Nachbarin und frage, was sie mit dem Feuersteinmesser und den Knochenmeisseln aus dem Stück Holz schnitzt.

Station 4


Quiz Pfahlbauweg
1
2
3
4
5
10
9
8
7
6

Pfahlbau Quiz: Löse alle 10 Aufgaben und hol dir deine Belohnung.


zum Quiz


Station 4

Kontaktnetze der Pfahlbauer*innen

Der Stahl der Steinzeit



Feuerstein (Silex oder Silizit) war in der Jungsteinzeit als Rohmaterial für Messer, Bohrer oder Pfeilspitzen hochbegehrt, weil er scharfkantig bricht. Wie der Name sagt, besitzt er eine weitere wichtige Eigenschaft: Mit Feuerstein und einem metallhaltigen Gestein lässt sich Feuer entzünden.

 

Aber Feuerstein ist nicht gleich Feuerstein. Für die meisten Zwecke eignete sich Material aus der Region. An fast allen Pfahlbaufundstellen findet sich aber auch ortsfremder Feuerstein. Varianten aus weiter Ferne wurden mit besonderer Sorgfalt behandelt. Gingen sie kaputt, recycelte man das Material oft für kleinere Objekte.


Der 5000-jährige Feuerschläger aus Feldmeilen-Vorderfeld liegt dank des Griffes aus Geweih gut in der Hand. Mit dem Feuerstein und einem metallhaltigen Gestein schlägt man Funken auf einen Zunder und entfacht daraus ein Feuer.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Diese Feuersteinmesser stammen aus der Grabung Zürich-Mozartstrasse, sie waren vor 5000 Jahren sehr häufig. Die Klingen bestehen aus Feuerstein von der Lägern und die Griffe aus Pappelrinde. Der Glanz an manchen Klingen zeigt, dass damit Getreidehalme geschnitten wurden. Sicher dienten diese Messer aber auch anderen Zwecken.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Diverse Feuersteinwerkzeuge aus Rohmaterial unterschiedlichen Ursprungs. Gefunden wurden sie in der Region um die Fundstelle Wetzikon-Robenhausen.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Gygax.

Woher hatten die Pfahlbauer*innen am Pfäffikersee den Feuerstein? 



Seit der Entdeckung der Pfahlbauten ist aufgefallen, dass die Feuersteine unterschiedlich aussehen. An verschiedenen Fundstellen gibt es aber auch immer wieder ähnlich Werkzeuge. Mit dem Mikroskop lässt sich die Herkunft der Feuersteine bestimmen. Feuerstein entstand vor Jahrmillionen auf den Meeresböden. Die darin enthaltenen versteinerten Reste von Kleinstlebewesen sowie die Art der Ablagerung hängen von der Wasserchemie, den Meeresströmungen, der Wassertemperatur und dem Wellenschlag ab. Diese Einflüsse geben jedem Feuersteinvorkommen eine charakteristische geologische Signatur. Damit kann der Ursprung eines Feuersteins bestimmt werden.

 

Auf diese Weise untersuchten Archäolog*innen die Herkunft der Feuersteine aus der Fundstelle Pfäffikon-Burg. Drei Viertel kommen von der Lägern. Etwa ein Sechstel stammt aus Flintsbach in Deutschland, 300 km vom Fundort entfernt. Einzelne Stücke stammen aus noch grösserer Entfernung: Gargano in Mittelitalien und Grand Pressigny in Zentralfrankreich, 840 km oder 220 h Fussmarsch respektive 600 km oder 140 h Fussmarsch von der Fundstelle entfernt! Beeindruckend sind diese Distanzen, wenn man überlegt, dass die Menschen zu Fuss unterwegs waren. Als Transportmittel der Steinzeit kennen wir nur Einbäume, erst ab dem Ende der Jungsteinzeit kommen Pferd und Wagen dazu. 


Feuersteindolche aus verschiedenen Zürcher Pfahlbaufundstellen. Dolche wurden oft aus importiertem Rohmaterial angefertigt, es kam aus bis zu 840 km entfernten Lagerstätten in Frankreich und Italien.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Der Feuersteindolch von Maur-Weiherwiesen besteht aus Rohmaterial aus Gargano in Süditalien. Ursprünglich war die Klinge mit einem Griff aus Holz versehen.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann. 

Mikroskopische Oberflächenaufnahme eines Feuersteinwerkzeugs. Zu erkennen ist die Schale eines Brachiopoden, eines muschelähnlichen Lebewesens. Die genaue Untersuchung mit dem Mikroskop verriet, dass dieses Stück von der Lägern stammt.

Foto: ArchGeo-Wehren.

Mobile Güter



Die Herkunftsbestimmungen von Feuerstein beleuchten zusammen mit anderen Dingen wie Schmuck aus Meeresmuscheln das Beziehungsnetz der Steinzeit-Menschen. Ob diese Waren und möglicherweise weitere vergänglichere Güter wie Stoffe, Leder, Felle, Früchte, Honig oder Salz von Ort zu Ort weitergegeben oder von Händlern quer durch Europa feilgeboten wurden, ist schwierig zu klären, denn die Menschen fehlen uns.

 

Ab und zu finden sich Keramikformen, die von der Form her nicht in die Region passen, aber aus lokalem Ton gefertigt sind. Sie zeigen, dass eine Idee ausgetauscht wurde oder jemand aus einem andern Gebiet zugewandert ist. Erst ganz am Anfang stehen genetische und isotopische Untersuchungen zu Fragen der steinzeitlichen Migration.


Diese Bernsteinperle wurde an der Mozartstrasse in Zürich gefunden. Sie wurde vor 3600 Jahren mit Goldfolie eingefasst. Bernstein gelangte aus dem Gebiet der Ostsee zu uns und wurde in der Bronzezeit zu Perlen verarbeitet.
Foto: Kantonsarchäologie Zürich.

Diese Meermandel genannten Meeresmuscheln wurden vom Mittelmeer, vom Nordostatlantik oder von der Nordsee bis zum Fundort Maur-Schifflände transportiert. Häufig sind in Pfahlbaufundstellen gefundene Muscheln gelocht, höchstwahrscheinlich wurden sie an Ketten getragen oder auf die Kleidung genäht.

Foto: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Station 4


Quiz Pfahlbauweg
1
2
3
4
5
10
9
8
7
6


Gratulation, du hast alle Aufgaben richtig gelöst

Trage deinen Namen und deine E-Mail-Adresse ein. Du wirst per Mail einen Code erhalten, mit dem du deine Überraschung im Museum Wetzikon abholen kannst.

 

Pfahlbauweg